Todesmarsch-Strecke Dachau – Waakirchen

Über die lange Wegstrecke von Dachau nach Waakirchen, über die der historische "Todesmarsch von Dachau führte, fallen die Pfarrerberichte sehr unterschiedlich aus. Über einige Etappen gibt es überhaupt keine Beobachtungen, über andere Wegstrecken überrascht das Nebeneinander von Berichterstattung und Übersehen, in anderen Etappen wiederum verfassten die Ortspfarrer eindrucksvolle und historisch bedeutsame Berichte.

Unterschiedliche Wahrnehmung in Dachau

In der Stadt Dachau, nach der das erste KZ des Nazi-Regimes und der bekannteste Todesmarsch benannt sind, waren die Blicke von zwei Pfarrern sehr unterschiedlich auf folgende Ereignisse gerichtet: 9600 KZ-Häftlinge, die zum Bahntransport durch die Stadt Dachau nach Emmering getrieben wurden, 7000 Häftlinge, die in Richtung Alpen marschierten, nicht zu vergessen die Bahntransporte aus den KZ-Lagern Buchenwald und Flossenbürg, die noch im KZ-Dachau entladen wurden oder verschlossen blieben, und vor allem das finale Schicksal der über 32000 Häftlinge, die am 29. April 1945 in Dachau befreit wurden.

Der Dachauer Stadtpfarrer Friedrich Pfanzelt von St. Jakob überliefert in seinem viereinhalbseitigen Bericht viele Informationen über die Schlussphase im KZ Dachau und die Todesmärsche:

  • "Alles fühlte, daß die Stunde der Entscheidung und der ersehnten "Befreiung" unmittelbar bevorstehe ... ." Dazu erwähnt er den "strikten Befehl Himmlers", dass "kein Häftling lebend in die Hände der Feinde fallen dürfe". Dazu fügt er an anderer Stelle hinzu: "... die große Sorge um das KL konnte ich nicht loswerden, und diese Sorge steigerte sich immer mehr, da mir Himmlers Befehl aus sicherster Quelle zugegangen war und zu befürchten stand, daß noch ein Massenblutbad den Boden Dachaus tränken werde."
  • Über die vier Märsche zum Bahnhof Emmering und den Abmarsch des Todesmarsches am 26. April um 21 Uhr hat Pfarrer Pfanzelt nicht berichtet. Aber das Schicksal des mörderischen, nicht mehr geöffneten Häftlingstransports aus den KZs von Buchenwald und Flossenbürg, über den wenige authentische Informationen vorliegen beschreibt er sehr genau: "Auf dem Nebengeleise vor dem Lager stand ein Transportzug aus Buchenwalde, der die dortigen Häftlinge noch nach Dachau bringen sollte; 12 Tage waren diese 52 Waggons mit ihren 5000 Häftlingen unterwegs und hatten für diese ganzen 12 Tage pro Mann als Verpflegung nichts anderes und nicht mehr als 20 Kartoffeln mitbekommen. Verhungert, abgemagert bis zum Skelett, waren diese armen unglücklichen Opfer in Dachau eingetroffen. Ein Schrei des Entsetzens und der Wut über solche Barbarei bei den Amerikanern."
  • Über die Befreiung des Lagers schreibt der Dachauer Pfarrer: "Ein neuer Schrecken bot sich nun im KL den Amerikanern. Vor dem Krematorium lagen hochgetürmt wiederum Hunderte von Menschenskeletten splitternackt über- und aufeinander geworfen: Wirklich ein Bild des Grauens, das man sich nicht vorstellen und nicht beschreiben kann, wenn man es nicht selbst gesehen!"
  • Pfarrer Pfanzelt beendet seinen Bericht an den Kardinal vom 7.8.1945 mit den Worten: "Möchte in Bälde die geplante Sühnekirche der ganzen Welt ein anderes Bild von Dachau vor Aug’ und Seele führen!".

Ganz anders reagierte der Dachauer Stadtpfarrer von St. Peter. Er verlor in seinem knapp einseitigen Bericht über Krieg und Kriegsende nur einen Halbsatz über "die KZler": "in alleinstehenden Häusern wurde von Ausländern und ehemaligen KZlern sehr viel geplündert." Ende der Durchsage.

Fehlanzeige im Würmtal

Völlige Fehlanzeige bei den drei knappen Berichten aus den drei Würmtalgemeinden südlich von Dachau. Die Pfarrer von Allach, Untermenzing und Obermenzing übersahen die Märsche der Allacher, Dachauer und Kauferinger Marschkolonnen. KZ-Häftlinge tauchen in diesen Berichten erst nach Einmarsch der Amerikaner auf – durch das "Plündern ... der Fremdarbeiter und Strafgefangenen".

Auch der Pfarrer des Münchner Vororts Pasing und die Pfarrer der folgenden Würmtal-Gemeinden Gräfelfing, Planegg und Gauting übersahen die Häftlingsmärsche. Das könnte as daran gelegen sein, dass die Allacher und die Dachauer Häftlinge nachts durch diese Orte zogen.

Vom Nordufer des Starnberger Sees fehlen Berichte aus dem dortigen Dekanat, da es zum Bistum Augsburg gehörte. Die nächsten Berichte stammen aus den Orten, durch die zwei Teilmärsche zum Lager Achmühle/Bolzwang führten: Aufkirchen, Höhenrain und Wolfratshausen, Münsing und Degerndorf. Die dortigen Pfarrer verfassten die ausführlichsten und informativsten Berichte.